Mit Bananen fährst Du eine RTF weit, mit Biberli 609 km!

Ein Bericht über den Ultra-Radmarathon BBB - Bern-Bodensee-Bern 2003

Von Angela und Clemens aus Speyer (dazu gehört die Galerie von Fred Seidlitz)

Clemis Traum einmal Trondheim-Oslo zu fahren bestand schon ewig. Ich habe lange gezögert, da ich mir eine Strecke jenseits der 300 km nicht vorstellen konnte. Nachdem wir dann den Aufwand und die Kosten für einen Start in Norwegen kalkuliert haben, suchten wir etwas Vergleichbares, Näheres. Bei der Suche nach Ultras sind wir unter www.radmarathon.ch auf BBB gestoßen. Ein Start in Bern ist doch wesentlich einfacher, als die Anreise nach Oslo. Und die 70 km mehr machen den Bock auch nicht mehr fett. Gesagt - getan: Anmeldung zu einem Schweizer Vorzugspreis von 125 EUR im Dezember 2002, noch einen verrückten Kollegen gefunden und unser Dreier-Team begann im Winter die Langstreckenvorbereitung für einen Start am 4.7.03. Alle möglichen Ziele und Einladungen wurden ab sofort nur noch mit dem Rad bewältigt. Ob das die Anreise zu einem Urlaub in Istrien war oder Krankenhaus-Besuche im 100km entfernten Bad Kreuznach, schließlich waren die Frühjahrs-RTF´s keine Herausforderung mehr für uns. Beim Start hatten wir rund 7.200 km in den Beinen inkl. einer Urlaubs-Vortour mit Trekkingrad und Zelt auf der Originalstrecke in ca. 4 gemütlichen Tagen.

Beim Start waren alle meine Zweifel verschwunden, von der Strecke wusste ich ja nun, was auf mich zu kam (macht Lance Armstrong schließlich auch so!). Die knapp bemessene Nudelparty am Vorabend, eine schlechte Wetterprognose und beim Frühstart kein Frühstück im Hotel, konnten uns nicht mehr belasten. Start um 6:15 ohne Hektik und mit der Zuversicht, innerhalb der Randonneur-Zeit von 40 Stunden wieder in Bern anzukommen.

Eine halbe Stunde später hat uns der Regen auf dem Weg in die Jura-Berge eingeholt und unsere neue kurze Regenhose von Löffler kam zum Einsatz. Der erste Tag verging für mich wie im Flug und ich konnte die Strecke und die Aussicht sogar richtig genießen. Über Liestal an den Rhein bis Koblenz fuhren wir bei wechselndem Wetter, ohne Regen ging es in den Schwarzwald durchs Steinatal über Bonndorf zum Blumberg, dem ersten Knackpunkt der Tour mit 20%-Steigung. Mit meiner 28-iger Übersetzung fuhren wir ohne Probleme weiter über Singen zurück in die Schweiz, entlang am Bodensee. Die sehr verkehrsreiche Strecke am Bodensee war im strömendem Regen die langweiligste, da wir leider null-Aussicht hatten. Zudem nervten die Wasserfontänen und hupende Autofahrer, die sich durch uns behindert fühlten. Nach 316 km und 15 Stunden erreichten wir um 21:20 Uhr mit guten Beinen unsere Schlafstelle in Rheineck. Beim gemütlichen Nudel-Essen und klönen wurden wir von den Elite-Fahrern eingeholt, die erst um 13:00 Uhr gestartet waren und in voller Hektik in wenigen Minuten von ihren Betreuern nachtfertig gemacht wurden und weiterzischten. Für uns eine unglaubliche Leistung! Wir hatten uns vorher entschieden, auf jeden Fall bis 2:00 Uhr Schlafpause zu machen, um unserem Körper eine Erholungspause zu gönnen und uns für die kommenden Berge nicht zu überfordern. Die Freude auf eine Dusche wurde uns leider kurz vermiest, da unsere vom Veranstalter nach Rheineck transportierten Sporttaschen wohl im Regen völlig durchweicht waren. Das hieß weder Ersatzklamotten, noch ein trockenes Handtuch zum Duschen. Zum Glück war wenigstens der Schlafsack trocken geblieben und so kuschelten wir uns halt in der stinkigen Radkluft für 3 Stunden ins Massenlager der Zivilschutzanlage. Dort ging es sehr diszipliniert und ruhig zu, wir schliefen gut und bekamen von den freundlichen Helfern sogar um 2:00 Uhr morgens ein gutes Frühstück zubereitet, im Gegensatz zu dem teuren Hotel in Bern. Die Helfer an der strategisch wichtigen Kontrollstelle in Rheineck haben die ganze Nacht für die Radler unermüdlichen Einsatz gezeigt: ganz herzlichen Dank dafür!

Obwohl wir gut erholt um 3:30 starteten, begann der 2. Tag zunächst etwas unglücklich. Meine kleine Dioden-Lampe fiel aus und die Ersatz-Lampe wurde montiert. Mit einem flauen Gefühl im Magen musste ich mich zum Essen zwingen und schließlich suchten wir über eine Stunde den Weg um Feldkirch herum, da ein wesentlicher Wegweiser geklaut worden war. Die vorhandenen Wegweiser, in der Nacht mit tollen Blinklichtern ausgestattet, wiesen uns dann den Weg durch das Fürstentum Liechtenstein. In Sargans trafen wir das erste Opfer einer zu schnellen Fahrt: ein uns bekannter Schweizer musste dort aufgeben, da er sich einer zu schnellen Gruppe angeschlossen hatte und über keine Reserven mehr verfügte. Motiviert, bisher alles richtig gemacht zu haben, fuhren wir wieder im Regen weiter und konnten dadurch leider die schöne Landschaft am Walensee über den Kerenzerberg bis zum Zürich-See nicht genießen. Ab der Kontrollstelle in Pfäffikon lagen "nur" noch ca. 155 km vor uns, also eine normale RTF-Distanz, und wir waren überzeugt, dass uns auch die steile Auffahrt nach Schindeleggi (wieder 20%!) nicht mehr vom Erreichen unseres Ziels abhalten kann. Zum Glück besserte sich auch das Wetter wieder bei der Auffahrt zum Sattel und in rasanter Fahrt rollten wir hinunter zum Zuger See. Kurz vor Emmenbrücke wunderten wir uns plötzlich über die vielen Radler. Aber dann wurde uns klar, dass wir ab jetzt gemeinsam mit den Radlern der 300km-Strecke fuhren, die teilweise in schlechterer Verfassung waren als wir (...und die sollten doch eigentlich uns motivieren.....).

Nach 550 km erschreckte mich nach einer Pipipause ein seltsames Geräusch und das Blockieren meines Hinterrades machte mir einen Speichenbruch klar. In der Hoffnung, dass ich zumindest bis zur Kontrolle Affoltern komme, entdeckte Fred 10 km weiter ein Bike-Geschäft, das Samstagnachmittag noch geöffnet hatte. Aufgrund meiner Befürchtung, dass ich ohne neue Speiche evtl. wegen Zeitüberziehung disqualifiziert werden könnte, wurde der freundliche Mechaniker angerufen und hat mir Ruckzuck meinen Defekt repariert. Nun freuten wir uns nach den vielen belegten Brötchen, Bananen, Müsli und Biberlis schon auf die frischen Joghurts, das Brot und den Käse bei der Schaukäserei in Affoltern. Nach einem Plausch mit Fritz Blindenbacher - dem Streckenchef - rollten wir hinunter ins Emmental und erreichten nach 37:13 Stunden glücklich und stolz das Ziel in Bern. Der Chef-Organisator, Thomas Hügli, ließ es sich nicht nehmen, jedem Ultrafahrer im Ziel zu seiner Leistung persönlich zu gratulieren! Der schnellste Elite-Fahrer hat übrigens die gleiche Strecke in einem neuen Rekord von 19:03 Stunden bewältigt.

Fazit: Idealer Event für Ultra-Einsteiger, prima Verpflegung, Topp-Organisation, einfache Anreise, familiäre Atmosphäre. Bei guten Training, angepasster Geschwindigkeit und mentaler Stärke sind auch Ultrastrecken von jedem zu bewältigen.